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Gesundheit aus GMX, unser Hirn

Ab diesem Alter beginnt das Altern im Gehirn

Aktualisiert am 27.11.2025.

Ärztinnen analysieren Hirnscans

Die Forschenden analysierten die Gehirne von 3.802 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Alter zwischen null und 90 Jahren. (Symbolbild) © Getty Images/vm

Von Alina Lingg

Eine neue Studie identifiziert vier bedeutende Wendepunkte der Gehirnentwicklung während der gesamten Lebensspanne. Demnach entfalte das Gehirn sein volles Potenzial erst Anfang der 30er.

In welchem Alter ist unser Hirn voll ausgereift? Bisherige Studien legten nahe, dass wir mit rund 25 Jahren richtig erwachsen und unsere Gehirne vollständig entwickelt sind. Klar war jedoch: Das Gehirn entwickelt sich ein Leben lang weiter, lernt dazu und baut Fähigkeiten aus, die mit steigendem Alter zum Teil wieder schwinden.

Nun zeigt eine aktuelle Studie: Das Hochplateau von Intelligenz und Persönlichkeit erreicht das Gehirn erst deutlich später – und zwar mit 32 Jahren. Mehr noch: Die Neurowissenschaftlerinnen und Neurowissenschaftler identifizierten fünf „bedeutende Epochen“, die die Gehirnstruktur im Laufe des Lebens durchläuft.

Über die Studie

  • Die Forschenden von der University of Cambridge analysierten die Gehirne von 3.802 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Alter zwischen null und 90 Jahren.
  • Die Gehirne der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden anhand von Datensätzen aus MRT-Diffusionsmessungen analysiert und verglichen. Die Scans bilden neuronale Verbindungen ab, indem sie die Bewegung von Wassermolekülen durch das Gehirngewebe verfolgen. Dadurch lassen sich entscheidende Entwicklungen über die Lebensspanne hinweg erkennen.

In diesem Alter finden die Wendepunkte statt

Die fünf Epochen werden unterteilt von vier Wendepunkten, an denen sich unser Gehirn neu konfiguriert. Der Analyse zufolge finden die Wendepunkte in der Gehirnentwicklung im Alter von neun, 32, 66 und 83 Jahren statt.

Die Lebensabschnitte sind dabei jeweils von unterschiedlichen Umbau- und Entwicklungsprozessen im Hirn geprägt. „Diese Phasen liefern uns wichtige Informationen darüber, welche Stärken und Schwächen unsere Gehirne in unseren verschiedenen Lebensphasen haben“, sagt die Leiterin der Studie, Alexa Mousley, von der University of Cambridge. Das könnte den Forschenden dabei helfen, zu verstehen, warum sich manche Gehirne an diesen Schlüsselmomenten abweichend entwickeln – seien es Lernschwierigkeiten in der Kindheit oder Demenz im Alter.

Diagramm Altersstufen Gerhinentwicklung
Das Diagramm zeigt, bei welchen Altersstufen die Analyse am häufigsten Wendepunkte der Gehirnentwicklung fand. © Mousley et al./ Nature Communications, CC-by 4.0 

Die fünf Epochen im Überblick

  • 1. Epoche (Kindheit): Hirnnetzwerk wird komplexer und stabiler

Die erste Epoche dauert von der Geburt bis zu dem ersten Wendepunkt im Alter von neun Jahren. In diesem Lebensabschnitt entstehen zahlreiche neue Verbindungen im Gehirn, wichtige werden gestärkt, inaktive oder unnötige werden wiederum abgebaut.

Gleichzeitig nimmt das Volumen von grauer und weißer Hirnsubstanz zu. Die graue Substanz ist etwa wichtig für die Verarbeitung und Speicherung von Informationen, die weiße Substanz ist hingegen für die Impulsweiterleitung zuständig. Sie leitet Signale zwischen den grauen Bereichen und sorgt für Verbindungen innerhalb und zwischen Hirnregionen. Die Faltung des Gehirns stabilisiert in dieser ersten Epoche ihre endgültige Form, wie schon frühere Studien belegten.

  • 2. Epoche (Adoleszenz): Robuster gegen Störungen und Ausfälle

Der erste Wendepunkt um das neunte Lebensjahr fällt mit dem Beginn der Pubertät zusammen – einer Zeit bedeutender hormoneller und neurologischer Veränderungen. Die zweite Epoche dauert bis zum 32. Lebensjahr und deckt die gesamte Adoleszenz bis ins frühe Erwachsenenalter ab. Die weiße Hirnsubstanz wächst weiter, die Kommunikationsnetzwerke des Gehirns werden optimiert und verfeinert.

„Die Adoleszenz ist die einzige Phase des Lebens, in der die neuronale Effizienz zunimmt“, so Mousley. Durch eine parallele Verarbeitung wird das Gehirn in dieser Zeit robuster gegen Störungen und Ausfälle.

  • 3. Epoche (mittleres Alter): Hochplateau von Intelligenz und Persönlichkeit

Diese Entwicklungen würden im Durchschnitt Anfang dreißig ihren Höhepunkt erreichen, dann erlebt das Gehirn seinen größten Wendepunkt der gesamten Lebensspanne. Das bedeutet: Mit 32 erreicht unser Gehirn in Bezug auf seine Ausbaustufe und Leistungen seinen Höhepunkt, bevor diese im weiteren Verlauf des Lebens wieder abnehmen.

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Wieso genau mit 32? Mousley sagt: „Rein auf der Grundlage der neuronalen Architektur haben wir festgestellt, dass jugendliche Veränderungen in der Gehirnstruktur etwa Anfang dreißig enden.“ Nach diesem Wendepunkt beginnt die längste der fünf Epochen: das Erwachsenenalter. Es ist die längste stabile Phase, die rund drei Jahrzehnte hält. Die Gehirnarchitektur stabilisiert sich, sie entspreche einem „Hochplateau in Bezug auf Intelligenz und Persönlichkeit“.

  • 4. Epoche (höheres Alter): Das frühe Altern beginnt

Mit rund 66 Jahren beginnt die vierte Epoche: Die weiße Substanz baut ab, Verbindungen werden schwächer, die Phase des „frühen Alterns“ beginnt. „In diesem Alter steigt das Risiko für eine Vielzahl von Gesundheitsproblemen, die das Gehirn beeinträchtigen können, wie beispielsweise Bluthochdruck“, so Mousley.

  • 5. Epoche (hohes Alter): Hirnnetzwerk ist ausgedünnt

Die finale fünfte Epoche beginnt um das 83. Lebensjahr und reicht bis ins höchste Alter. Die Konnektivität des Gehirns nimmt weiter ab, bestimmte Regionen werden zunehmend stärker beansprucht. Das Hirnnetzwerk ist deutlich ausgedünnt. Störungen können nicht mehr so leicht ausgeglichen werden, wie noch zuvor. Die Forschenden weisen darauf hin, dass für diese Phase allerdings nur bedingt Daten vorliegen.

Gehirne Diffusions-Magnetresonanztomografie
Diese Aufnahmen zeigt die Netzwerkstruktur im Gehirn in allen fünf Epochen. © Dr. Alexa Mousley/ University of Cambridge 

„Viele neurologische, psychische und entwicklungsphysiologische Erkrankungen hängen mit der Verdrahtung des Gehirns zusammen.“

Duncan Astle, Autor der Studie und Professor an der University of Cambridge

Die Studie sei die erste, die die wichtigsten Phasen der Verdrahtungen des Gehirns im Laufe des menschlichen Lebens identifiziert. Sie zeigt, dass die Gehirnentwicklung nicht kontinuierlich, sondern phasenhaft verläuft. Duncan Astle, Autor der Studie und Professor für Neuroinformatik von der University of Cambridge, sagt: „Rückblickend haben viele von uns das Gefühl, dass unser Leben von verschiedenen Phasen geprägt war. Jetzt zeigt sich, dass auch das Gehirn diese Lebensphasen durchläuft.“

Empfehlungen der Redaktion

  • Die Erkenntnisse würden auch erklären, warum unser Hirn in manchen Lebensphasen besonders anfällig für Störungen ist. Zwei Beispiele: Der Wendepunkt zu Beginn der Pubertät würde etwa mit einem besonders hohen Risiko für psychische Störungen einhergehen. Und: Ab dem Wendepunkt mit rund 66 Jahren reagiere das Gehirn sensibler auf Störungen wie Bluthochdruck. Dieser stehe im Zusammenhang mit kognitivem Verfall und beschleunigter Alterung des Gehirns und sei zudem ein Risikofaktor für Demenz.

„Viele neurologische, psychische und entwicklungsphysiologische Erkrankungen hängen mit der Verdrahtung des Gehirns zusammen“, so Astle. Aber auch unsere Aufmerksamkeit, Sprache, Gedächtnisleistung und weitere verschiedene Verhaltensweisen würden mit der Vernetzung im Hirn zusammenhängen.

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